"Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden, König von Preußen etc. etc.
thun kund und fügen hiermit zu wissen, daß Wir mit den nach dem Wahlgesetze vom 8. April 1848 gewählten und demnächst von Uns zusammenberufenen Vertretern Unseres getreuen Volkes für Unsere zum deutschen Bunde gehörigen Lande die nachfolgende Verfassung vereinbart haben, welche Wir demnach zur Kenntniß für Unsere getreuen Unterthanen und für Jedermann zur gebührenden Nachachtung hierdurch verkünden...
Titel VII.
Von der Finanz-Verwaltung.
§. 70.
Alle Einnahmen und Ausgaben des Staats müssen für jedes Jahr im voraus veranschlagt und auf den Staatshaushalts-Etat gebracht werden. Letzterer wird jährlich durch ein Gesetz festgestellt.
§. 71.
Steuern und Abgaben für die Staats-Kasse dürfen nur, so weit sie in den Staatshaushalts-Etat aufgenommen oder durch besondere Gesetze angeordnet sind, erhoben werden."
Geschichtliche Entwicklung der demokratischen Steuerung und Finanzverfassung
1. Etappe: Kameralistik als Töpfchenwirtschaft
Töpfchenwirtschaft bezeichnete eine unüberschaubarer und unverbunden nebeneinander stehender Budgetobjekte „Töpfe“ mit eigenen Einnahmequellen und Ausgabezwecken.
Selbstkontrolle: Zum Machterhalt gehören große repräsentative Feste zu Hofe. Dazu ist ein geregeltes Finanzwesen notwendig. Joachim II ist von 1535 bis 1571 Kurfürst von Brandenburg. Voraussetzung zum Macherhalt waren prunkvolle Feste, laut Hofordnung von 1537: täglich 400 Personen im Schloss, bei Festlichkeiten oft 2.000 bis 3.000 Pferde zu füttern
2. Etappe: Der Staatsetat stellt eine Art interne Rechnungslegung dar, also eine Form der Buchführung für den Betrieb „Staat"
Quelle: Dreier, Horst; Der Kampf um das Budgetrecht als Kampf um die staatliche Steuerungsherrschaft.
Verwaltungskontrolle: Mit Hilfe des Beamtenapparats gelingt es, das Finanzwesen zu etablieren und geregelte Verfahren der Einnahmen‐ und Ausgabenbeschaffung aufzubauen. Die sogenannte "Töpfchenwirtschaft" wird überwunden und durch strenge Kontrollen kann die Loyalität der Beamten kontrolliert werden. Dazu ist es notwendig, alle Einnahmen und Ausgaben in einem Haushalt zu erfassen und zu überprüfen.
Kurfürst Friedrich III. folgt den Vorschlägen von Dodo von Knyphausen:
> Der „erste Generaletat überhaupt“ 1689!
> seit 3ten November 1817 kodifiziertes Haushaltsrecht
3. Etappe: Budgetrecht ist Königsrecht des Parlaments
Geflügeltes Wort seit dem Budgetkonkflikt
Regierungskontrolle: Mit Vorliegen des Haushalts können alle mitreden.
(Grundsatz der Öffentlichkeit gilt seit 1821) Ohne Zustimmung der Abgeordneten zum Haushalt sind keine neuen Ausgaben möglich. (Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit gilt seit 1848)
Was passiert, wenn Ausgaben gezahlt werden müssen, aber keine Zustimmung zum Haushalt vorliegt? => Budgetkonflikt!
Budgetkonflikt: 1862-64
„Das Haushaltsrecht ist Königsrecht des Parlaments“
„Nicht durch Reden u. Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden … sondern durch Eisen und Blut“ (Bismarck)
4. Etappe: Der Produkthaushalt ist das Regierungsprogramm in Zahlen
Quelle: Fachkonzeptionelle Grundlagen NHH/NRV Hamburg, Januar 2007; ursprünglich: Gaston Jèze (1869-1953).
Demokratische Steuerung: In einer parlamentarischen Demokratie wird die Regierung von der Regierungsmehrheit im Parlament getragen.
Die Regierungsmehrheit wird die Regierung nicht desavouieren.
Der Opposition fehlt die Mehrheit.
Die Rückmeldung kann nur über die Wieder‐ bzw. Abwahl erfolgen.
Koop Kernaussage
Der KOOP OEFW geht es darum, das öffentliche Finanzwesen und die öffentliche Steuerung demokratisch zu stärken. Wir nehmen die Perspektive der Bürger und Bürgerinnen in ihrer Rolle als Steuerzahler und Steuerzahlerinnen, Wähler und Wählerinnen sowie Leistungsempfänger und Leistungsempfängerinnen ein.
Wir selbst – vertreten durch unsere Abgeordneten – steuern in einer modernen Finanzverfassung, ob der Einsatz unserer Gelder effektiv ist, d.h. uns näher an die Ziele unseres Gemeinwesens bringt.
Vor dem Hintergrund der geschichtlichen Etappen sollte uns diese Errungenschaft sowohl in administrativer, politischer und gesellschaftlicher Hinsicht wertvoll sein.