Dilemmata im Lebensalltag und öffentlichen Finanzwesen

Das Gefangenendilemma beim Heiratsantrag

Dominante Strategie aus Sicht der Frau „auf Heiratsantrag warten“, denn 5xHerz [3] > 4xHerz [1] und 3xHerz [4] > 2xHerz [2] unabhängig davon, wie sich der Mann verhält, es ist die bessere Strategie zu warten. Gleiches gilt für den Mann. Ergebnis: beide warten auf den Heiratsantrag des anderen an Stelle sich wechselseitig einen Antrag zu machen und sich gemeinsam besserzustellen [1].

> individuelle Rationalität führt zu kollektiver Irrationalität
Sicht des Paares: Beide sind gemeinsam überglücklich – die große Liebe ist gefunden. Es ist ein modernes Paar, das gemeinsame Glück existiert auch unverheiratet ♡♡♡, gleichwohl erlebt jeder der beiden emotionale Momente und gesellschaftliche Situationen, in denen sie gerne verheiratet wären ♡♡♡♡.

Sicht des Mannes: Seit Jahrzehnten kämpfen Frauen und Männer für Gleichberechtigung und gegen Geschlechterstereotypen und auf der anderen Seite sind Frauen die einen Heiratsantrag machen zumindest medial rar, der „inoffiziellen Heiratskodex“ heißt: Der Antrag ist Männersache. Diese Konstellation erzeugt Druck und stimmt ihn zögerlich, weil er einfach verunsichert ist, wie er es anstellen soll. Er wartet und es wäre für ihn eine Erleichterung und ein besonderes Zeichen der Gleichberechtigung, sie würde fragen ♡♡♡♡♡.

Sicht der Frau: Im Wirrwarr aus ökonomischem und rechtlichem Zwecken, medialem und gesellschaftlichem Druck, Gleichberechtigungsdiskussionen und ihrem persönlichen Empfinden heraus ist die Frau durcheinander und zögert ebenfalls. Irgendwie sind Traditionen und Rituale immer noch sehr wichtig und es fehlt ihr an Vorbildern, so dass es für sie irgendwie einfacher wäre, er würde Ihr den Antrag machen ♡♡♡♡♡.

Dilemma: Für beide ist die dominante Strategie abzuwarten an Stelle sich durch einen wechselseitigen Antrag gemeinsam besser zu stellen. Individuelle Rationalität führt zu kollektiver Irrationalität.



Dominante Strategie aus Sicht von A ist, das Budget zu hoch anzugeben denn 105 € [2] > 100 € [1] und 80 € [4] > 75 € [3] unabhängig davon, wie sich die andere Partei verhält, es ist immer die bessere Strategie: das Budget zu hoch anzugeben Gleiches gilt für B.

Ergebnis: Obwohl genügende Gelder für alle Maßnahmen vorhanden gewesen und damit die Legitimation und Zufriedenheit insgesamt gestiegen wäre, können die von Ressort A nur anteilig umgesetzt werden.

> individuelle Rationalität führt zu kollektiver Irrationalität
Sicht der Ressorts: Den Ressorts stehen Steuermittel von insg. 200 € zur Verfügung. Das ist genau die Summe, die nach besten Wissen und Gewissen im jeweiligen Ressort kalkuliert wurde und die notwendig ist, um in Ressort A und Ressort B alle politisch angedachten und für die Bürger wichtigen Maßnahmen anzubieten. Aus zentraler Sicht ist schwer zu beurteilen, ob die Kalkulationen im Detail stimmen, sollte also die Budgetanmeldung insg. zu hoch sein, wird „global gekürzt“.

Sicht Ressort A: Mit dem Wissen, dass die Budgetanmeldungen global gekürzt werden, ist es rational das Budget zu hoch anzumelden und während der Haushaltsaufstellung z.B. 110 € zu fordern an Stelle von 100 €. Sollte Ressort B ehrlich Antworten würde man 105 € bekommen. Das Budget ist gedeckelt bei 200 €, d.h. 10 € werden zu gleichen Teilen bei den beteiligten Ressorts gekürzt (Globale Minderausgaben). Somit erhält Ressort A 105 €. Diese Strategie gilt erst recht, wenn Ressort B sein Budget ebenfalls zu hoch ansetzt.

Sicht Ressort B: Spiegelbildlich zu A

Dilemma: Individuelle Rationalität führt zu kollektiver Irrationalität (Einschränkung der Legitimation)




Dominante Strategie aus Sicht von A „Kredit aufnehmen“, denn 60 % [II] > 50 % (1) und 50 % [IV] > 40% [III] unabhängig davon, wie sich die an­dere Partei verhält, es ist immer die bessere Strategie einen Kredit aufzunehmen als mit begrenzten Mitteln zu wirtschaften. Gleiches gilt für B.

Ergebnis: beide Parteien erhalten 50 % mit Zinsbelastung [IV] an Stelle von der für beide besseren Situation 50 % mit Handlungsspielraum (1)

> individuelle Rationalität führt zu kollektiver Irrationalität
Sicht der Parlamentarier: Gemeinsames Interesse aller Parlamentarier ist die Sicherung von haushaltswirtschaftlichem Handlungsspielraum. Nur so kann auf Probleme der Gegenwart und der Zukunft reagiert werden und die Partei sich gegenüber den Wählern legitimieren. Hieraus würde die Handlungsempfehlung resultieren, der Expertenmeinung zu folgen: Nimm einen Kredit für Investitionen auf, die über die Nutzungsdauer hinweg eine Wirkung für die Wähler hat, so dass den Steuergeldern, mit denen die Tilgung und die Aufwände für Zinsen bezahlt werden, eine äquivalente Wirkung gegenübersteht.

Sicht der Regierungsmehrheit: Das Interesse der Regierungsmehrheit, die als Parlamentsmehrheit ausschlaggebender Haushaltsgesetzgeber ist, präferiert die Kreditaufnahme, wegen:

– der intertemporalen Auflösung der Konnexität zwischen Wohltat und Last. Die Wähler können zukünftige Last nicht den Verursachern zurechnen.

– des Phänomens der Schuldenillusion. Wähler schätzen künftige Last systematisch zu gering ein.

Beides führt dazu, dass es aus Sicht der Regierungsmehrheit individuell rational ist, Wohltaten für Wähler jetzt mit kreditfinanzierten Aktionen zu bescheren, um Wählerstimmen und damit die Wiederwahl zu gewinnen. Hieraus würde die Handlungsempfehlung resultieren „Handele entgegen der Expertenempfehlung“.

Sicht der Opposition: Die Opposition (keine Mehrheit bei Haushaltsgesetzgebung) kann dieses Vorgehen nicht verhindern, sie wird vielmehr ebenso verfahren müssen, sobald sie an der Regierung ist. Hieraus würde die Handlungsempfehlung resultieren „Handle entgegen der Expertenempfehlung“.

Dilemma: Individuelle Rationalität führt zu kollektiver Irrationalität (Einschränkung des Handlungsspielraums)


KOOP-Kernaussage

Die KOOP OEFW interpretiert das spieltheoretische Gefangenendilemma sowohl als ökonomisches und auch als grundlegendes gesellschaftliches Kernproblem.

Wie lassen sich gemeinsame Anliegen (öffentliche Aufgabe, öffentliche Dienstleistungen, Gemeinschaftsaufgaben, Kollektivgüter, Aufgaben von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung etc.) auf die Bedürfnisse von Individuen zurückzuführen, gemeinsam finanzieren und umsetzen. Hierbei stößt man regelmäßig auf Probleme, die diese besondere Struktur aufweisen und in ein Dilemma führen. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass individuell rationales Handeln dazu führt, dass man sich gemeinsam schlechter stellt.

Die Lösung der Ökonomen und Ökonominnen besteht darin, klug die Spielregeln zu ändern, um bessere Spielzüge individuell rational werden zu lassen.

Das Dilemma mit der mangelnden Kooperation (Spieltheorie) Hörsaal auf Deutschlandfunk Nova Immer dann, wenn wir einen Vorteil aus einer Zusammenarbeit ziehen, gehen wir diese auch ein. Wenn nicht, entscheiden wir lieber nach unseren eigenen Interessen. Doch ist das wirklich so einfach vorherzusagen? Ist es nicht, erklärt der Volkswirtschaftler Jan Schnellenbach in seinem Vortrag über die Spieltheorie.

Ab 46:36 insb. ab 54:29 finden Sie die Botschaft an die Ökonomen und Ökonominnen von der wunderbaren Elinor Ostrom: Sucht, was in der Realität funktioniert und versucht dann theoretisch zu verstehen, warum es funktioniert hat. Das hatte sie den Ökonomen voraus, die immer vom Dilemma ausgegangen sind und Kooperation theoretisch verneint haben. Sie hat entdeckt, dass manchmal Kooperation eben doch funktioniert und das lässt sich dann wiederum in Modelle  integrieren.


«Warum heiraten Paare?»
auf Geschichten der Gegenwart


«Willst du mein Mann werden?»
Warum Frauen so selten einen Heiratsantrag machen
auf Aargauer Zeitung


Gefangenendilemma: Definition Gabler Wirtschaftslexikon




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